…Dann kam auch schon der große Tag, mein erster Geburtstag. Genau ein Jahr war es nun seit der großen OP, bzw. den Folgen kurz danach, die ich fast nicht überlebt hätte. So wollte ich in meinem Profil bei Facebook mein Alter spaßeshalber auf 1 ändern. Das ging aber nicht, weil ich dann unter 13 wäre. Naja, egal. Hier war ich nun, und obwohl noch nicht vollständig genesen, war ich auf dem richtigen Weg. Ich war dankbar dafür, dass ich wieder mehr über den Wert des Lebens lernen durfte. Natürlich, wenn die Zeiten schwierig sind, dann ist es einfach nur unvorstellbar dass es mal wieder besser sein könnte, das Leiden erscheint so riesig, jeden Tag präsent.
Rückblickend jedoch sind diese Zeiten sehr klein im Vergleich mit dem Rest des Lebens. Was ist schon ein Jahr oder zwei davon? So versuche ich stets daran zu denken: Das was ich jetzt erlebe, ist temporär. So wie alles im Leben.
Stattdessen versuche ich zuversichtlich zu bleiben. Eines Tages werde ich stolz sein: Dieses Gefühl, das Leiden, das nehme ich mit in mein zukünftiges Leben, werde so stärker und stärker mit jedem Rückschlag, wachse und wachse daraus. Solange bis, solange bis ich keine Lust mehr habe zu kämpfen, aber eins ist sicher: der Wert des Lebens wird immer größer.
Die Zeit plätscherte so dahin und ich merkte, dass ich wieder eine sinnvolle Aufgabe und mehr Struktur im Alltag brauche. So begann ich gegen die Langeweile zuhause ein Master-Studium für Übersetzung an einer englischen Uni.
Und auch die Idee des neuen Buchprojekt ‚wir‘ setzte ich um, nämlich ein Buch herauszubringen mit Kurzgeschichten von anderen Betroffenen.
Inzwischen machte ich nicht mehr Mittagsschlaf aus Langeweile, sondern um mich vor Uni zu drücken…
Kategorie: Allgemein
Ausschnitt Kapitel 3 – Bergab und -auf
…es fehlte nur noch das Gesicht.
Als ich mal wieder beim Hausarzt war, bin ich das erste Mal auf dem Gehweg gestürzt, das war natürlich zunächst ein großer Schock, dieser Kontrollverlust, wenn ich weiß gleich haut es mich hin, ich kann aber nichts dagegen machen. Es ist jedoch oft im Nachhinein auch eine super Erfahrung gegen Sturzangst, weil ich ja nicht plötzlich einen Schlag bekomme, sondern mein Körper quasi ganz kurz Zeit hat sich darauf vorzubereiten. Vielleicht versteifen dann die Muskeln oder sowas, jedenfalls ist das Ergebnis meist überhaupt nicht schlimm, nicht mal eine Schramme, es geht ja ganz langsam runter. Trotzdem natürlich kein schönes Gefühl.
Sonst gab es die Lungenentzündung da, Magenentzündung hier, immer wieder kleine Rückschläge und Dämpfer für den Aufschwung. Aber oft waren sie, wenn ich ehrlich bin, auch selbst verschuldet: ein Milkshake zu flüssig, ein Eiscafe oder ein Kaloriendrink einfach zu viel für den Magen. Der Kopf war weiter als der Körper. Das war dann die Konsequenz davon, wenn ich ständig versuchte, meine Grenzen zu erweitern. Aber ich machte trotzdem so weiter. Ich musste es einfach probieren, sonst trat ich auf der Stelle. So schoss ich nicht selten über meine Grenzen hinaus, aber ohne Mut kein Fortschritt….
Ausschnitt Kapitel 2 – Trust the universe!
…Inzwischen, auch wenn körperlich noch lange nicht am Ziel, war ich ziemlich zufrieden:
Die verschobene erste große OP bedeutete zwar eine qualvolle Zeit des sinnlosen In-der-Luft-Hängens und Wartens. So hatte ich jedoch genügend Zeit, mein Buch noch vor der OP fertigzustellen. Zum Glück.
Und die zweite Operation war einfach notwendig gewesen. Schließlich wurde danach vieles wieder besser.
Ich finde, im Nachhinein stellen sich manche als erst hart wahrgenommene Wendungen des Schicksals als goldrichtig heraus, auch wenn sie im Moment des Eintretens nicht zu verstehen sind und viel leid bedeuten. Alles ist temporär.
Ich durfte mal wieder die Lektion lernen, dass egal was passiert, es genau so passieren soll. Irgendeine höhere Macht scheint das zu steuern und dieser muss ich nur vertrauen und entspannt bleiben….
Ausschnitt Kapitel 1 – Hallo Welt
…Während dieser ganzen Zeit kamen fast täglich Nachrichten über Buchbestellungen meiner kürzlich veröffentlichten Autobiografie ein, Feedback darüber. Sie gaben mir Kraft, weiterzumachen.
Irgendwann wurde auch die Kanüle zumindest zeitweise entblockt, das heißt dem Ballon, der im Hals sitzt und verhindert, dass Speisereste, Flüssigkeit, Speichel in die Luftröhre rutscht, wird die Luft entzogen. So sind die oberen Atemwege wieder frei und plötzlich geht Riechen wieder, das Atmen ist wieder natürlicher und allem voran ist es möglich zu sprechen. Nach einiger Zeit durfte ich sogar mal runter in die Cafeteria, wo es auch frische Pizza gab. Das war der Duft des Lebens!
Auch auf die physikalische Abteilung freute ich mich jedesmal, wenn ich auch entblockt war, mit ihrem Schwimmbad- und Chlorgeruch. Ein Träumchen!
Das Hauptproblem während der zwei Monate war die Ernährung über die Magensonde. Über zeitliche Rhythmen finden, Menge und Geschwindigkeit anpassen bis zum Hersteller wechseln haben wir alles probiert, das Zeug wollte einfach nicht drin bleiben und ständig kämpfte ich mit Übelkeit.“ …