‚Du musst mehr essen!‘ Wie oft musste ich mir das schon anhören. Ich erwiderte meist: “würde ich gerne können”. Dann kam meist: “komm, ich geb’ dir was ab! Haha”. Wäre ja schön wenn das ginge. Stattdessen war ‚Essen‘ für mich eine Qual. Mit der Sonde im Magen hatte ich erreicht, dass ich genügend Kalorien bekam und mein Gewicht stabil blieb. So musste ich mich wenigstens nicht quälen. Trotzdem versuchte ich am Tag ein wenig zu essen, denn das Hungergefühl war ja da. Und wenn ich mehrere Stunden nichts zu mir nahm, dann quittierte mir der Magen das mit Übelkeit und Bauchkrämpfen, welche mir meine Laune verdarben, denn sie ließen keine anderen Gedanken zu. Ich musste würgen und erbrechen, dabei kam natürlich nichts, denn es war ja nichts da. Linderung schaffte etwas essen, aber es kostete enorm Überwindung mich dazu zu zwingen, denn wenn mir übel war, war mir nicht gerade danach, etwas zu essen. Wenn ich jedoch etwas aß, dann führte die Trägheit meines Magen/Darms dazu, dass sich Luft im Bauch sammelte, welche wiederum zu Übelkeit und Bauchkrämpfen führte. Ein guter Effekt der Magenlähmung war dass ich nach wenigen Löffeln schon Völlegefühl hatte und so nicht ständig Hunger hatte.
Trotzdem entwickelte ich eine ablehnende Haltung gegenüber dem Thema Essen und wollte mich nicht damit beschäftigen.

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Durch Zufall erfuhr ich zu der Zeit von einem Projekt namens ‘Wohnen für Hilfe’, bei dem Menschen, die auf Hilfe im Alltag angewiesen sind, beispielsweise mit Studenten wohnen können. Diese bezahlen keine Miete, helfen aber dafür im Alltag. The ideal deal! Win-win quasi und ich begann mich zu informieren. Der Drang nach selbständig leben war groß.

Im Sommer ging es nach mehreren Jahren mal wieder ins Schwimmbad, das um die Ecke gerade neu gebaut wurde. Eine Wasserratte war ich zwar noch nie, aber was war das für ein Gefühl ins Wasser zu gleiten, zu spüren wie es den Körper umhüllt, mit einer Langsamkeit und Sicherheit umherlaufen. Ich versuchte wieder etwas zu schwimmen, was zuletzt vor mehreren Jahren möglich war. Völlig in Vergessenheit geraten war das.